Die hat…! Predigt zu Joh 8,3-11 (4. Sonntag nach Trinitatis, 10. Juli 2022)

Predigttext: Joh 8,3-11 (Basisbibel)

Da brachten die Schriftgelehrten und die Pharisäer eine Frau herbei, die beim Ehebruch überrascht worden war. Sie stellten sie in die Mitte und sagten zu Jesus:

»Lehrer, diese Frau da wurde auf frischer Tat beim Ehebruch überrascht. Im Gesetz schreibt uns Mose vor, solche Frauen zu steinigen. Was sagst nun du dazu?«

Das fragten sie, um ihn auf die Probe zu stellen und dann anklagen zu können.

Aber Jesus beugte sich nur nach vorn und schrieb mit dem Finger auf die Erde.

Als sie nicht aufhörten zu fragen, richtete er sich auf und sagte zu ihnen: »Wer von euch ohne Schuld ist, soll den ersten Stein auf sie werfen!«

Dann beugte er sich wieder nach vorn und schrieb auf die Erde.

Als sie das hörten, ging einer nach dem anderen fort, die Älteren zuerst.

Jesus blieb allein zurück mit der Frau, die immer noch dort stand. Er richtete sich auf und fragte: »Frau, wo sind sie? Hat dich niemand verurteilt?«

Sie antwortete: »Niemand, Herr.«

Da sagte Jesus: »Ich verurteile dich auch nicht. Geh, und lad von jetzt an keine Schuld mehr auf dich.«

Gedanken

„Die hat….“ so kommen meine Kinder angelaufen und wollen eine Verurteilung der Schwester.

„Die hat…“ so kommen die rechtschaffenen Männer angelaufen und wollen eine Verurteilung der Ehebrecherin. Eigentlich glasklare Sache. Auf frischer Tat erwischt. Nun sollte die Frau gesteinigt werden, so wie es das Gesetz als Möglichkeit vorsah. Auch eine Scheidung wäre möglich gewesen, aber hier wurde die Höchststrafe gefordert.

„Die hat….!“

Eigentlich eine glasklare Sache. Hätte Jesus nicht nur manchmal so sonderbare Ansichten. Er meint beispielsweise, dass man am Sabbat heilen dürfte. Eigentlich glasklar verboten, aber Jesus war anderer Meinung. Würde er hier auch anderer Meinung sein? Dann hätte man ihn erwischt und bloßgestellt. „Der hat….!“ könnte man dann mit Recht sagen.

Was wird Jesus nun zur Angelegenheit sagen? Steinigen oder nicht? „Was sagst du dazu?“

Jesus könnte zur Verteidigung ansetzen, von Gottes Liebe erzählen, aber er sagt gar nichts.

Als wäre ihm langweilig, schreibt er mit dem Finger in den Sand. Er nimmt die Dringlichkeit raus aus dem „Die hat….!“ indem er erst mal nichts sagt.

Das lassen Sie nicht auf sich sitzen. Genauso wie meine Kinder, wenn Sie sich ungerecht behandelt fühlen. Gerechtigkeit muss her! Sofort! Also fragen Sie weiter: „Was sagst du dazu?“

Da steht er endlich auf und beginnt zu sprechen: Er entscheidet aber nicht. Er verurteilt nicht, urteilt nicht.

Er lenkt den Blick weg von der Angeklagten, zurück auf die Ankläger: „Wer von euch ohne Schuld ist, der soll den ersten Stein auf sie werfen.“. Und schreibt weiter.

Ohne dass es erwähnt wird, kann man die Spannung fühlen: Wie die Ehebrecherin auf den ersten Steinwurf wartet.

Wie die anderen warten, dass endlich einer anfängt, zu werfen.

Wie jeder in sich geht und überlegt, ob er schon mal Schuld auf sich geladen hat.

Man kann direkt hören, wie Steine nach und nach fallengelassen werden und die Ankläger verschwinden.

Keiner bleibt übrig: „Dann verurteile ich dich auch nicht.“

Jesus will nicht urteilen, er will, dass wir nachdenken. Nachdenken über unsere eigenen Fehler.

Darüber ob wir ein Recht haben „der hat….!“ zu rufen.

Im Bild von Sieger Köder zu der Geschichte schreibt Jesus „Schalom – Heil“ in den Sand. Der letzte Buchstabe fehlt.

Vielleicht müssen wir ihn fertig schreiben.

Andere nicht zu verurteilen wäre doch ein guter Anfang auf dem Weg zum Heil.

Liedvorschläge (Evangelisches Gesangbuch)

Psalm: Nr 781, Psalm 103

Lied zum Anfang: 347,1-3 Ach bleib mit deiner Gnade

Lied vor der Predigt: 347,4-6 Ach bleib mit deiner Gnade

Lied nach der Predigt: 648,1-3 Wo ein Mensch Vertrauen

Lied zum Schluss: 295,1-4 Wohl denen, die da wandeln

2 Kommentare zu „Die hat…! Predigt zu Joh 8,3-11 (4. Sonntag nach Trinitatis, 10. Juli 2022)

  1. Danke für Ihre Predigt und die Sicht Jesu auf das Problem der Sünde und speziell des Ehebruchs.
    Ehebruch und Scheidungen passieren uns unseren Gemeinden tagtäglich. Im Hinblick auf Jesus zu sagen, sündige hinfort nicht mehr, aber sonst alles gut, reicht in unseren Gemeinden oft als Reaktion darauf aus, vielfach kommt nicht mal das. Unterscheidet sich so Kirche vom Rest der Welt? Ist sie so Vorbild für Nicht-Christen? Kann man so behaupten, die Gottes Gebote spielen bei ihr eine Rolle? Wie unbefangen gehen wir mit der Wiederheirat Geschiedener um? Wie ehrlich befragt sich Kirche hier? Und verliert sie damit nicht jede Orientierung für die eigenen Gemeindeglieder als auch für Die Welt drumherum?

    1. Hallo Sybille,
      bitte entschuldige die späte Antwort, den Kommentar zeigt es mir erst heute an.
      ich glaube fest daran, dass Kirche bzw. wir Christen am meisten wirken, wenn wir Gottes Liebe zu uns Menschen betonen. Wenn wir Gottes Liebe leben sind wir Vorbild für Nicht-Christen. Andere verurteilen ist leicht, Menschen die Fehler gemacht haben anzunehmen schwer.
      Herzlichst
      Gerhard Beck

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