Ansprache zum Antikriegstag 2024

gehalten am KZ Friedhof Neunburg

Wir sind heute hier zum Antikriegstag oder Weltfriedenstag. Ich habe mir die Mühe gemacht, einmal genauer nachzulesen, was die Geschichte und Bedeutung dieses Tages ist.

Begonnen hat die Idee ja bereits 1845 in England. Pazifistische Kirchengruppen haben sie vorangetrieben.

Nach dem 1. Weltkrieg wurde sie in Deutschland populärer. Damals noch am 1. August, zum Beginn des 1. Weltkriegs.

Nach dem 2. Weltkrieg blieb man beim Weltkriegsbeginn, aber der Termin wanderte zum 1. September, zu heute.

Und daneben kamen viele weitere Weltfriedenstage: Den der Katholischen Kirche am 1. Januar beispielsweise oder der der UNO und des Ökumenischen Rats der Kirchen am 21. September.

Bei den Evangelischen ist eher der November mit der Woche für den Frieden und dem Buß- und Bettag die Zeit.

Aber eigentlich ist es egal, wann wir an die Notwendigkeit des Friedens denken, es ist leider immer notwendig, denn der Krieg ist in unserer Welt real.

Ich persönlich komme ja aus einem friedensbewegten Haushalt. Wasserpistolen waren bei uns nicht gerne gesehen. Alle Spiele, die mit Krieg zu tun hatten sowieso nicht.

Als ich meiner Mutter erzählte, dass ich heute hier sprechen soll, war sie sofort bei den Friedensdemos der 80er, beim Kampf gegen Aufrüstung und Stationierung von Raketen, zu der sie mit anderen von einer kirchlichen Fortbildung aus hingefahren ist.

Und Sie merken schon: So richtig haben sich die Themen nicht geändert.

Und das, obwohl wir, das muss man auch sagen, in Deutschland seit bald 80 Jahren keinen Krieg hatten.

Natürlich leben wir nicht im Frieden, die Kriege waren und sind halt außen um uns rum.

Doch zurück zu meiner Familie: Klar war, dass wir alle nicht zur Bundeswehr gehen, meine Brüder haben Zivildienst gemacht und ich war als dritter Sohn und Theologiestudent doppelt befreit.

„Gegen diesen Bescheid zur Befreiung der Wehrüberwachung können Sie innerhalb von vier Wochen Einspruch einlegen“ – habe ich natürlich nicht gemacht.

Ich muss aber auch gestehen: Mein einfaches Bild des Friedens als absolutes Ziel, mit dem ich so aufgewachsen bin, hat dann etwas Risse bekommen.

Freunde von mir, die ich sehr schätzte, gingen ganz selbstverständlich in den Wehrdienst.

Und hier, an einem ehemaligen Bundeswehrstandort, angekommen kam ich ständig mit überzeugten Christen zusammen, die ihre Bereitschaft zum Krieg mit ihrem Gewissen, ihrem Glauben und dem Wunsch nach Frieden verbinden konnten.

Und so gerne ich hier heute eine Lanze für den Frieden breche, genauso habe ich gelernt, dass das mit Frieden und Krieg doch nicht ganz so einfach ist.

Und mit dieser Einschätzung bin ich nicht allein. So war den ersten Christen der Dienst an der Waffe noch verboten. Die Synode von Elvira im Jahr 306 hat Strafen verhängt für Christen, die Waffen tragen.

Und schon 314 hat eine andere Synode den Kriegsdienst erlaubt.

Kein Wunder: Die Bibel ist voll von der Sehnsucht nach Frieden – und der Realität des Kriegs.

Ich erspare Ihnen die vielen Kriegszüge im Alten Testament, die vielen erwähnten Soldaten im Neuen.

Ich glaube und befürchte auch: Die nicht-friedliche Auseinandersetzung steckt in uns Menschen. Nicht umsonst ist eine der ersten Taten der Bibel ein Brudermord.

Nicht umsonst ist eine Erkenntnis der Sprüche: „Der Mensch ist Böse von Jugend auf“.

Nicht umsonst heißt eine Bitte im Vater unser: Erlöse uns von dem Bösen. Und da geht es nicht um die Bösen Menschen, die um uns rum sind, sondern das Böse, das jeder von uns in sich hat.

Der Streit, der manchmal leicht ausbricht. Die Lust zu gewinnen und vielleicht auch mal auf den Tisch zu hauen. Oder mehr.

So lange es das gibt, so befürchte ich, wird es Konflikte geben. Und sie werden auch in Kriege ausarten.

Schon früh machten sich Theologen daran sich zu überlegen: Wie kann ich als Christ einen Krieg, den es einfach gibt, mit meinen Gewissen vereinbaren?

Eine Diskussion, die bis heute nicht geendet hat.

Denn: Krieg ist nie gut. Er hat vielleicht gute Ziele. Sicherlich ist er manchmal auch notwendig.

Ich glaube der Ort, an dem wir hier stehen, der KZ Friedhof mahnt uns, dass es notwendige Kriege geben kann. Wie viele Menschen wären mehr ermordet worden, wenn die Alliierten keinen Krieg gegen Deutschland geführt hätten?

Ich tue mich schwer mit der Pressemitteilung zu heute: „Friedensgebot mit Leben füllen, Eskalation militärischer Gewalt verhindern“ – Das ist mir ein bisschen zu einfach.

Denn Krieg kann vielleicht notwendig sein.

Und dennoch: Zerstörung und Tod sind nie gut, also sind auch Kriege nie gut.

Sie haben sich einen Pfarrer hier eingeladen, daher sage ich es als Pfarrer: Krieg ist nie das, was Gott für uns Menschen will.

Sein Bild vom Ziel des Zusammenlebens ist ein anderes.

Es ist Shalom: Umfassender Friede. Zwischen Gott und den Menschen und zwischen den Menschen untereinander.

Für Juden und Christen, für die Bibel gehört beides zusammen, es lässt sich nicht trennen.

Genauso wie die Bibel voll von Mord, Totschlag und Krieg ist, ist sie voll von der Sehnsucht nach Frieden und Beschreibungen des Friedens. 229-mal kommt das Wort Friede in der Lutherbibel vor.

Nur einige wenige Beispiele, die ich besonders einprägsam finde:

Sie kennen alle das Motto „Schwerter zu Pflugscharen“ und vielleicht die Statue, die die Sowjetunion den vereinten Nationen. Eigentlich ist das ein Zitat aus dem Propheten Micha

Micha beschreibt wie es ist, wenn Gott sich durchsetzt. Und dann heißt es „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen.“

Genauso visionär ist eine Vision aus dem Buch Jesaja, die später dann auch in der Offenbarung aufgegriffen wurde. Sie beschreibt den neuen Himmel und die neue Erde, die Gott schafft.

Dort heißt es dann:

Seht, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde.

Man wird dort niemanden mehr weinen hören, die Klage ist für immer verstummt.

Es gibt dort keinen Säugling mehr, der nur wenige Tage lebt.

Man findet keinen Greis, der nicht ein hohes Alter erreicht.

Wenn einer mit Hundert stirbt, sagt man: Er war noch jung.

Wolf und Lamm weiden friedlich zusammen, der Löwe frisst Stroh wie das Rind.

Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg. Das sagt der Herr.“

Ein extremes Bild des Friedens, das sich einprägt. Friede der so stark ist, dass Wolf und Lamm friedlich beieinander wohnen. Dass niemand mehr durch Krieg früher sterben muss.

Doch wie kommen wir dorthin?

Ein letztes Bild aus der Bibel, das ich das erste Mal in Belfast kennengelernt habe. 2005 habe ich dort studiert, mich hat interessiert, wie man nach den Troubles, dem jahrzehntelangen Krieg zwischen protestantischen Engländern und katholischen Iren zur Versöhnung kam.

Eine Mennonitische Uni bot einen Kurs an: Reconciliation Studies. Versöhnungslehre.

Und wir lasen ein Buch eines mennonitischen Friedensforschers, John Paul Lederach, der überlegte, wie in Konflikten Frieden entstehen kann.

Er ließ sich inspirieren von einem Psalmwort. Dort heißt es:

„Ich will hören, was Gott zu sagen hat. Der Herr redet vom Frieden.

Er verspricht ihn seinem Volk und seinen Frommen.Doch sie sollen nicht mehr zurückkehren zu den Dummheiten der Vergangenheit!

Dann wohnt seine Herrlichkeit wieder in unserem Land:

Güte und Treue finden zueinander. Gerechtigkeit und Frieden küssen sich.“

Dort, sagt John Paul Lederach, genau an diesem Ort, in diesem Moment, wo Güte und Treue, Gerechtigkeit und Frieden zusammen kommen, genau dort entsteht Versöhnung.

Und Versöhnung ist notwendig, um Krieg dauerhaft zu beenden. Friede, das ist im minimalen Fall erstmal nur die Abwesenheit von Krieg.

Aber wenn Gerechtigkeit, Güte und Treue dazu kommen, dann wird Friede zu mehr.

Dann hat Versöhnung eine Chance. Versöhnung, die immer neue Kriege aus Rache oder Vergeltung oder dem Gefühl der Ungerechtigkeit verhindert. Die Menschen miteinander verbindet.

Dann passiert shalom, ein umfassender Friede.

Das sind Visionen, Bilder, die wir jetzt brauchen. Denn wir reden über Krieg. Und das ist gut so.

Und wir müssen darüber reden, wie man jemanden stoppt, der nicht auf Diplomatie setzt, sondern darauf ein anderes Land zu überfallen.Wir müssen darüber reden, wie wir mit einem Krieg im Nahen Osten umgehen, der eine Antwort auf einen Terrorangriff war, der aber eine ganz lange Geschichte hat.

Wir müssen darüber reden, ob wir die Amerikaner ihre Truppen hier sein lassen, oder die Bundeswehr größer machen.

Wir müssen darüber reden, ob es einen Unterschied macht, wo Raketen stationiert sind. Ob es wichtig ist, dass sie in Deutschland stehen, wenn sie sonst vielleicht in Polen ständen?

Vor allem müssen wir darüber reden, ob die Stationierung notwendig ist.

Wir müssen uns der Realität der Kriege stellen.

Und neben all den Kriegsbildern, müssen wir endlich auch die Friedensbilder stellen.

Wir müssen darüber reden, wie Frieden gelebt wird.

Wir müssen erzählen von Menschen, die einander verzeihen. Die kein Rachebedürfnis haben.

Und wir müssen die großen Visionen des Friedens neben die Realität des Krieges stellen.

Als Pfarrer werde ich immer die der Bibel nehmen, vielleicht haben Sie andere, die Ihnen helfen.

Wir müssen sie laut herausschreien, um Hoffnung zu machen. Und wir müssen beim Reden über den Krieg fragen:

Wie hilft das unserer Vision vom Frieden? Wie kommen wir von

diesem Krieg hier zum Frieden, den wir wollen und brauchen?

Denn der Frieden in der Welt: Der ist unser Ziel, unsere Hoffnung.

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