Dieser Artikel ist gekürzt erschienen in Zeitschrift 3e (4/24) , Zeitschrift des Bundesverlags. Ein Abonnement dieses inspirierenden Magazins wird dringend empfohlen!
Seien wir ehrlich: Es wird immer weniger Pfarrerinnen und Pfarrer, Lektorinnen und Lektoren und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben, die ausgebildet sind, Gottesdienste zu feiern. Der demographische Wandel führt dazu, dass die heute Aktiven immer älter werden und in den nächsten Jahren aus dem Dienst ausscheiden. Gleichzeitig werden die Kirchengemeinden immer größer.
Wie mit dieser Situation umgehen?
Auf Gottesdienste verzichten? Oder einfach mehr Menschen ausbilden?
Für meine zahlenmäßig kleine Gemeinde in der bayerischen Diaspora war beides keine Option. Als vor ca. 2 Jahren klar wurde, dass meine Stelle um die Hälfte gekürzt wird und ich nicht mehr an 3 Wochenenden im Monat Gottesdienst halten kann, hat mein Kirchenvorstand ganz klar gesagt: Wir wollen weiterhin jeden Sonntag ein geistliches Angebot haben. Gleichzeitig konnten wir bei durchschnittlich nur 10 Gottesdienstbesuchern, viele im Rentenalter, keine Ehrenamtlichen mehr ausbilden.
Was tun? Klar war: Wir hatten Ehrenamtliche, denen die Regelmäßigkeit eines gottesdienstlichen Angebots wichtig war und die bereit waren, sich zu engagieren – wenn es keiner Ausbildung bedurfte und die Vorbereitungszeit nicht zu lang war. Das war insofern wichtig, als bei Krankheit oder spontanen Reisen jemand einspringen können sollte.
Wir probierten verschiedene Modelle aus, z.B. vorgefertigte Gottesdienste, kamen aber zu einem Modell, das sich stark an den täglichen Gebetszeiten im Kloster orientierte. Es sollte
– aus Gründen der Wiedererkennbarkeit viele immer gleiche Elemente enthalten
– die Zeit des Kirchenjahres widerspiegeln
– die wöchentlichen Unterschiede berücksichtigen
– keine große persönliche Vorbereitungszeit erfordern
– die Besucher einbeziehen
In dieser Zeit wurde ich auf die in der sächsischen Landeskirche praktizierten Andachten „Kommt Atmet auf“ aufmerksam.
In Anlehnung daran entwickelte ich ein Andachtskonzept mit folgendem Aufbau:
- Gemeinsamer Anfang (immer gleich)
- Psalm (wechselnd nach Kirchenjahreszeit)
- Lesungen mit Stille (sonntäglich wechselnd)
- Fürbitte (sonntäglich wechselnd)
- Vaterunser
- Gemeinsamer Segenszuspruch (immer gleich)
Für diese Andachten habe ich bewusst gestaltete Faltblätter zum Ausgeben, Mitlesen und Mitnehmen designt. Sie unterscheiden sich nach Kirchenjahreszeiten. Dabei habe ich diese etwas vereinfacht. Es existieren Varianten für:
- Advent
- Weihnachtszeit
- Passionszeit
- Osterzeit
- Trinitatiszeit
- Ende des Kirchenjahres
Diese unterscheiden sich in der Auswahl des Titelbildes, das zum Nachdenken anregen soll, und des Psalms.
Zur Vorbereitung steht den Ehrenamtlichen ein Lektionar zur Verfügung:
– ein Lektionar mit allen Lesungstexten
– ein Buch mit Hinführungen zu den Lesungen
– ein Buch mit Fürbitten und Texten für jeden Sonntag im Kirchenjahr
Es hat sich gezeigt, dass die Gottesdienstbesucher gerne alle drei Lesungen (alltestamentlich, Evangelium, Epistel) mit Hinführungen (Wir verwenden Jochen Arnold, Fritz Baltruweit, Marianne Gorka (Hrsg.): Hinführungen zu den Lesungen im Gottesdienst, ISBN 978-3-374-05752-8) als Textteil, sozusagen anstelle der Predigt, hören. Längere Zeiten der Stille geben Gelegenheit, über das Gehörte nachzudenken.
An sich funktioniert das ganze Modell ohne Musik (auch an Musikern herrscht Mangel), aber einige Ehrenamtliche legen Wert darauf: Sie singen oder spielen Musik ein.
Auch bei den Fürbitten setzen die Andachtsleitenden ihre eigenen Akzente: Während viele gerne auf das bereitgestellte Buch zurückgreifen (Stephan Goldschmidt: „Denn du bist unser Gott“, ISBN 9783761565537), gestalten andere sie selbst.
Wir haben diese kleinen Gottesdienste übrigens bewusst „Andacht“ genannt: Es soll symbolisieren, dass es keine Predigt gibt und die Erwartungen niedriger halten. Mit interessanten Phänomen: Eine Ehrenamtliche, die nie im Gottesdienst musizieren wollte, spielte schon in einer Andacht. Auch wuchs unser Team auf Grund der niedrigen Einstiegshürden: Als unsere Anfangs 3 Ehrenamtliche auf Grund von Krankheit und Urlaub nicht konnten, fanden sich 2-3 weitere, die drei Tage vorher einsprangen und nun teils gemeinsam Andachten halten.
Im September 2023 trat die Stellenveränderung in Kraft. Statt wie bisher an drei Sonntagen im Monat halte ich nur noch an einem Sonntag Gottesdienst vor Ort. Einen weiteren hält ein Lektor. Die anderen 2-3 Sonntage werden von Ehrenamtlichen mit den vorgestellten Andachten gefeiert. So ist das gottesdienstliche Leben weiterhin aktiv, obwohl weniger ausgebildete Mitarbeiter tätig sind abgedeckt.
Hier finden Sie alle Andachtsmodelle zum Download