Lesung: Gen 16 in Auszügen in der Fassung der Basisbibel
„Gott sieht nach mir“ oder bei Luther: „du bist ein Gott, der mich sieht“. Was für ein Ende was für einer spannenden Geschichte. Da geht es ganz viel um gesehen, um wahrgenommen werden. Und es sagt viel über die gesellschaftlichen Umstände aus.
Sarai hat Angst nicht gesehen, nicht wahrgenommen, nicht wichtig genommen zu werden, weil Abram und sie keine Kinder haben.
Hagar ist einfach nur eine ägyptische Magd, mit der man machen kann, was man will. Zum Beispiel als Nebenfrau verheiraten und schwängern lassen. So jemanden sieht sowieso keiner.
Bis die Magd schwanger wird: Da drehen sich die Machtverhältnisse um: Plötzlich wird sie gesehen und Sarai ist unwichtig. Hagar schaut sogar auf Sie herab.
Und Sarai merkt das, sie achtet darauf, dass Abram nur sie wichtig nimmt. „Mach mit ihr, was du für richtig hältst“ sagt er. Und Hagar läuft nach der schlechten Behandlung weg.
Da ist sie nun in der Wüste. Und dann erscheint der Engel, der sie erst mal nur anspricht, als Person wahrnimmt „wo kommst du her, wo gehst du hin?“
Und Hagar kann erzählen. Sicher hat sie mehr erzählt, als nur diesen einen Satz.
Wahrscheinlich ergab sich ein Gespräch zwischen den Beiden. Und die Aufforderung des Engels: Geh zurück! Aber verbunden mit einer der wichtigen Zusagen der damaligen Zeit: Ich werde deine Nachkommen zahlreich machen – das gleiche Versprechen, das auch Abraham bekommen hat.
Und Hagar geht zurück. Es wird noch einige Jahre gut gehen, dann wird die Spannung zwischen den beiden Müttern Sarah und Hagar zu groß werden und Hagar wird wieder in der Wüste landen. Dann wird Gott sie endgültig retten.
Da weiß sie dann schon, dass Gott sie begleitet und sieht. Denn sie erkennt es schon in unserer Geschichte:
Als der Engel weg ist erkennt sie ihn als das, was ein Engel ist: Ein Bote Gottes und spricht es aus: „Du bist ein Gott, der mich sieht“ oder „Gott sieht nach mir“.
Gesehen werden ist so wichtig. Viele Menschen, viele Probleme, übersehen wir einfach.
Vor einer Weile war ich bei einer Veranstaltung, bei der es um Armut ging. Fast alle sagten: „Ich kenne niemanden, der Arm ist“. Und ich wusste aber: Das stimmte nicht. Sie kannten jemanden, hatten aber dessen Armut noch nicht gesehen.
Gesehen werden kann unangenehm sein. Wenn ungewollt drauf geleuchtet wird, etwas erhellt wird, das man selber dunkel haben will.
Aber es kann auch guttun. Das Herz erwärmen, Mut machen.
In diesem Jahr, wo die Inflation, die Heizkosten hoch sind, möchte ich Sie bitten ihre Augen auf die zu richten, die weniger Geld haben. Achten Sie darauf, wann wir als Gesellschaft und Gemeinde sie ausgrenzen.
Achten Sie darauf, was sich mancher, der wenig Geld hat, sich nun nicht mehr leisten kann.
Und unterstützen Sie die, die hinschauen, die helfen. Hier bei uns sind das zum Beispiel die Tafeln und das Diakonische Werk Cham. Die Mitarbeiterinnen dort schauen voller Zuwendung auf jeden, der an ihre Tür klopft. Sie versuchen zu helfen, wann immer es geht. Und ihre Arbeit wird doch selbst oft nicht genug gesehen. Sie sind manchmal wie der Engel, der Hagar erscheint und so sie dann sagen kann: „Gott sieht nach mir.“ Amen.