Liebe Gemeinde,
im April kommt der 25. James Bond Film ins Kino. Ich mag die James-Bond-Filme: Man weiß, auf wen man sich einlässt und mit wem man mitfiebert: James Bond. Und der rettet zuverlässig in letzer Sekunde die Welt. Kein Wunder, er ist perfekt ausgebildet und hat alle notwendigen Hilfsmittel.
Auf James Bond kann man sich verlassen.
Er steht im Mittelpunkt des Filmes. Wer erinnert sich noch an die Seiten-Charaktere? Die hübschen Damen, die in jedem Film vorkommen, haben im Gedächtnis keine Namen mehr: Sie sind die „Bond-Girls“
In unserem heutigen Predigttext, hören wir eine Spionage-Geschichte, die verfilmt sein könnte. Nur sind nicht die Spione im Mittelpunkt, sondern sozusagen das Bond-Girl.
Ich lese aus dem Buch Josua im 2. Kapitel:
Die Israeliten lagerten zu dieser Zeit in der Gegend von Schittim. Von dort schickte Josua, der Sohn von Nun, heimlich zwei Männer los. Sie sollten das vor ihnen liegende Land auskundschaften, besonders die Stadt Jericho.
Die beiden machten sich auf den Weg und erreichten gegen Abend die Stadt. Auf der Suche nach einer Bleibe für die Nacht kamen sie in das Haus einer Prostituierten namens Rahab.
Kurz darauf erhielt der König von Jericho die Nachricht: »Heute Abend sind israelitische Männer eingetroffen, die unser Land erkunden sollen. Sie halten sich bei Rahab auf.« Der König schickte sofort Soldaten zu Rahab. Sie befahlen ihr: »Bring die Männer heraus! Sie wollen unser Land ausspionieren.«
Rahab aber hatte die beiden Israeliten versteckt und stellte sich ahnungslos: »Ja, diese Männer sind bei mir gewesen. Ich wusste aber nicht, wo sie herkamen. Sie brachen wieder auf, als es dunkel wurde und das Stadttor geschlossen werden sollte. Ich kann nicht sagen, wohin sie gegangen sind. Wenn ihr ihnen schnell nachlauft, holt ihr sie bestimmt ein.«
Rahab hatte die Israeliten auf ihr Flachdach gebracht und unter Flachsstängeln versteckt, die dort aufgeschichtet waren.
Die Soldaten des Königs nahmen die Verfolgung auf und eilten in Richtung des Jordanübergangs davon. Unmittelbar hinter ihnen wurde das Stadttor geschlossen.
Bevor die beiden Israeliten sich schlafen legten, stieg Rahab zu ihnen auf das Dach und sagte: »Ich weiß, dass der HERR eurem Volk dieses Land geben wird. Wir haben große Angst. Jeder hier zittert vor euch. Wir haben gehört, dass der HERR euch einen Weg durch das Schilfmeer gebahnt hat, als ihr aus Ägypten gekommen seid. Wir wissen auch, was ihr mit den Amoritern und ihren Königen Sihon und Og auf der anderen Jordanseite gemacht habt: Ihr habt sie völlig vernichtet. Als wir das hörten, waren wir vor Angst wie gelähmt. Jeder von uns hat den Mut verloren. Der HERR, euer Gott, ist der wahre Gott oben im Himmel und hier unten auf der Erde. Deshalb flehe ich euch an: Schwört mir jetzt beim HERRN, dass ihr meine Familie und mich verschont, denn ich habe auch euch das Leben gerettet. Bitte gebt mir einen Beweis dafür, dass ich euch vertrauen kann. Lasst meine Eltern und Geschwister und alle ihre Angehörigen am Leben. Rettet uns vor dem Tod!« Die Männer antworteten ihr: »Wenn ihr uns nicht verratet, stehen wir mit unserem Leben dafür ein, dass euch nichts getan wird. Wenn der HERR uns dieses Land gibt, werden wir unser Versprechen einlösen und euch verschonen.«
Rahabs Haus lag direkt an der Stadtmauer. So konnte sie die Männer durch eines ihrer Fenster mit einem Seil hinunterlassen, um ihnen zur Flucht zu verhelfen. Sie riet ihnen: »Lauft erst ins Bergland, damit euch die Verfolger nicht finden! Versteckt euch dort drei Tage, bis sie zurückgekehrt sind. Danach geht, wohin ihr wollt.«
Die beiden Männer sagten zu ihr: »Der Eid, den wir dir gegeben haben, bindet uns nur unter diesen Bedingungen: Wenn unsere Soldaten hier eintreffen, musst du das rote Seil, an dem du uns jetzt hinablässt, an dein Fenster binden. Und deine Eltern, deine Geschwister und alle Verwandten müssen hier bei dir im Haus sein. Jeder, der nach draußen geht, ist selbst verantwortlich für seinen Tod. Wer aber bei dir im Haus bleibt und trotzdem angegriffen wird, für den stehen wir mit unserem Leben ein. Solltest du uns aber verraten, ist unser Eid ungültig!« »Einverstanden«, antwortete Rahab. Dann half sie ihnen, ins Freie zu gelangen. Als sie fort waren, band Rahab das rote Seil ans Fenster.
Liebe Gemeinde,
bei James Bond wäre das anders gelaufen. Aber die Bibel funktioniert eben anders als ein klassischer Film. In der Bibel stellen die beiden Spione sich nicht sonderlich geschickt an: Kaum sind sie da, wird der König von Jericho schon informiert und kann seine Soldaten losschicken.
Ja, die beiden sind noch nicht mal namentlich erwähnt. Im Mittelpunkt steht Rahab, die den Spionen hilft. Die beiden Spione werden zu Nebendarsteller, sie werden zu sozusagen Bond-Girls – oder Rahab-Boys.
Und dann gleich die nächste Ungeheuerlichkeit in der Bibel: Rahab ist eine Prostutierte. Oft wurde überlegt, ob sie vielleicht nur eine alleinstehende Frau war oder eine Gastwirtin und Sie finden auch Bibelübersetzungen, die das so übersetzen.Aber nach dem, was ich lesen konnte, ist es recht eindeutig: Das hebräische Wort, das verwendet wird, kennzeichnet sie als Prostituierte. Und so wird sie auch im Neuen Testament bezeichnet.
Die Spione werden von einer Prostituierten gerettet.
Sie versteckt sie, lügt für sie, sie schickt die Verfolger in die falsche Richtung, verhilft Ihnen zur Flucht und gibt Ihnen noch gute Tipps, wie sie flüchten sollen. Sie bringt sich für sie Lebensgefahr. Wäre sie erwischt worden, wären wohl alle 3 hingerichtet worden.
Nur durch diese Hilfe kommen die beiden zurück zu den Truppen am anderen Jordanufer, nur so können Josua und das Volk Israel Jericho und das verheißene Land erobern und in Besitz nehmen.
Nur so gehen Gottes Versprechen in Erfüllung. Anders gesagt: Gott benutzt eine Prostituierte, um seinen Plan zu erfüllen.
Eine für viele unglaubliche Vorstellung.
So kam es, dass gesucht wurde, ob sie nicht etwas anderes war, etwas harmloseres.
Unser Predigttext war in den ersten Jahrhunderten auch schon Predigttext – und dann fiel er aus der Predigtordnung raus. Dass Gott sich einer Nutte bedient? Schwer vorstellbar.
Erst mit der Neuordnung der Predigttexte kam er wieder zurück.
Und das ist nicht das einzige anstößige: Rahab ist ja nicht nur eine Prostituierte, nein, sie hilft auch aus nicht ganz uneigennützigen Motiven: Sie merkt: Der Kampf ist verloren. Die Israeliten haben die Nachbarvölker besiegt, sie rücken immer näher auf Jericho los, wir sind Chancenlos.
Und sie schlussfolgert: Deren Gott muss wohl stärker sein als unsere Götter. „Der HERR, euer Gott, ist der wahre Gott oben im Himmel und hier unten auf der Erde.„
Und sie weiß auf wessen Seite sie sich stellen muss um ihre Haut und ihre Familie zu retten: Auf die Seite der Sieger.
Wir haben also eine Prostituierte, die auf ihren Vorteil achtet – und so Gottes Plan erfüllt. Diese Frau soll ein Vorbild sein? Würdig, dass wir heute über sie predigen?
Für die Bibel ist klar: Ja, sie ist ein Vorbild. Rahab wird als eine von nur vier Frauen im Stammbaum Jesu erwähnt: Sie wird zur Mutter von Boas, der Ruth heiratete, von der wiederum König David abstammte.
Der Hebräer- und der Jakobusbrief erwähnen sie beide als Vorbilder im Glauben und als eine Frau, die auf ihren Glauben Werke folgen lässt. Im Jakobusbrief wird sie gleich nach Abraham genannt. In der jüdischen Gemeinde in Berlin erfährt Rahab eine besondere Wertschätzung: Ihre Geschichte wird damit verknüpft, dass während der Verfolgung durch die Nazis, Berliner ihr Leben riskiert haben, um Juden zu retten – so wie Rahab die Spione.
Denn sie lässt auf ihren Glaube Werke folgen: Sie merkt: Ich lage bisher falsch. Ich muss auf Gott vertrauen und nicht auf meine alten Götter – und sie zieht daraus die Konsequenzen und bringt sich sogar selbst in Gefahr. So wird sie zum Vorbild im Glauben.
Faszinierend finde ich noch, dass Gott für seine große Geschichte mit dem Volk Israel keinen James Bond braucht und keine gut ausgebildeten Spione. Nicht die Männer und Frauen mit ehrbahren Berufen, mit perfekter Ausbildung und gutem Charakter. Sondern eben eine Prostituierte, die auf ihren eigenen Vorteil achtet.
Gott verwendet für seine Pläne die unglaublichsten Personen. Personen, bei denen man nicht denkt, dass Gott gerade diese Person braucht und verwendet.
Vielleicht sind wir in einer Situation in der wir das Live beobachten können. Wir sind mittendrin im Klimawandel. Wissenschaftler, ehrbare Männer die eine Ahnung haben, sagen uns schon lange, dass sich etwas ändern muss.
Diplomaten, perfekt ausgebildet und ausgestattet verhandeln seit Jahren in Konferenzen um die richtigen Wege.
Al Gore, ehemaliger Vizepräsident der USA, hat einen Film über die Gefahr des Klimawandels gedreht.
Es wurden Beschlüsse gefasst, Staaten haben sich verpflichtet, ihren CO2 Ausstoß zu verringern – Geschehen ist wenig.
Aber eine an sich unwahrscheinlich Person, nämlich eine damals 15-jährige mit Asperger-Syndrom, die – finde ich zumindest – nicht sehr charismatisch ist, schafft es innerhalb von nicht mal einem Jahr, Jugendliche und mit Ihnen die Welt zu bewegen. Dass der Klimawandel ein Riesenproblem ist und dringendst angegangen werden muss und das nicht nur von bezahltem Personal, sondern von jedem Menschen, das ist so richtig erst im Bewusstsein, seitdem eine 15-jährige Freitags nicht mehr zur Schule, sondern demonstrieren geht.
Und ich möchte vermuten, dass sich Gott hier – wie schon bei Rahab- eine Person ausgesucht hat, von der man es nicht erwartet hätte. Keine, die man spontan als Hauptperson eines Filmes ausgesucht hätte.
Eine der Bedeutungen des Namens kann Rahab „Weite“ sein. Und eine Interpretation ist, dass der Name auf die Weite des Geistes anspielt: Wir müssen unseren Geist weit offen halten, weil Gott sich manchmal andere Personen für seine Pläne aussucht, als wir es tun würden. Zum Beispiel Prostituierte, Jugendliche mit Aspergersyndrom und manch andere.
Es sind nicht immer die Menschen, von denen wir es auf den ersten Blick erwarten, es ist nicht immer James Bond, der die Welt rettet.
Amen