Sich vom Ideal fragen lassen: Predigt zum 7. Sonntag nach Trinitatis (Apg 2,41a.42-47)

Liebe Gemeinde,
Lukas hatte sich tief in die Geschichte seines Glaubens verkrochen. Er hatte nachgeforscht, nachgefragt, bei denen, die noch lebten, denn: er schrieb ein Buch über die Entstehung des Glaubens. Das erste, das über Jesus, war schon fertig. Nun war der zweite Teil im Entstehen: Wie ging es nach Ostern weiter?
Das Pfingstgeschehen hatte er schon beschrieben: Der Heilige Geist ließ die Menschen merken, dass Jesus der Sohn Gottes war. Dass die Christen recht hatten. Weitergehen würde es mit den ersten Aposteln.
Ach, das Leben damals, war schon ganz anders als das nun, 50 Jahre später. Damals, da war noch mehr Begeisterung, Pepp, dahinter. Und nun: Es Menschelte schon sehr!
Es gibt viel zu viel Streit – obwohl Jesus Gemeinschaft gefordert hatte.
Die Armen werden benachteiligt – obwohl Jesus Gleichheit wollte.
Und: Der Glaube ist in Gefahr.

Ob es damals besser war? Lukas ist sich nicht sicher. Vielleicht schon. Auf jeden Fall könnten sich die Leute heute von der damaligen Gemeinde eine Scheibe abschneiden. Vielleicht sollte Lukas noch ein Stückchen einfügen, in dem diese Punkte besonders betont werden. Ein Stückchen, in dem er vielleicht etwas übertreibt – aber zu einem guten Zweck: So könnte die Gemeinde heute ins Grübeln kommen, ob Ihr Leben noch den Idealen entspricht. Ob es nicht Zeit wäre, etwas zu ändern.
Ja, das wäre es!
Und so schreibt Lukas folgendes:
Die das Wort annahmen, ließen sich taufen.
Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel
und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.
Es kam aber Furcht über alle Seelen, und es geschahen auch viele Wunder und Zeichen durch die Apostel.
Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nach dem es einer nötig hatte.
Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk.
Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden.

Liebe Gemeinde,
so ähnlich stelle ich mir die Gedanken des Lukas vor, als er unseren Predigttext schrieb: Ich glaube er wusste, dass 50 Jahre vor seiner Zeit, in der Zeit der ersten Gemeinde, nicht alle auf einen Schlag ihren Besitz verkauft haben.
Ich glaube er wusste, dass nicht einige tausend Personen einmütig täglich beieinander waren.

Ich glaube, es ging ihm drum, ein Idealbild zu zeichnen um seine Gemeinde auf Mißstände aufmerksam zu machen. Ich glaube er wollte Ihnen einen Spiegel vorhalten, aber er konnte schlecht wie Paulus seiner Gemeinde Vorwürfe machen.
Paulus, der konnte das: Er war Gemeindegründer, angesehen, schrieb direkte Briefe, die auch Vorwürfe und Anweisungen beinhalteten.
Er, Lukas, war Roman und Geschichtsschreiber. Er musste einen anderen Weg gehen um seiner Gemeinde einen Spiegel vorzuhalten. Und so schrieb er vom Idealzustand der christlichen Gemeinde, zurückversetzt in die Zeit der ersten Christen:
Alle wären täglich beieinander, einmütig, gingen täglich in den Tempel, feierten Abendmahl, teilten das Brot.

Ich glaube, es lohnt sich zu suchen, in welchen Punkten Lukas seiner Gemeinde den Spiegel vorhält, denn mein Eindruck ist: Dieser Spiegel, diese Punkte, treffen uns immer noch.
Mein Eindruck ist: Lukas stellt alles unter den Aspekt der Gemeinschaft. Und so habe ich mir drei Punkte herausgesucht, die diesen Aspekt der Gemeinschaft entfalten.

1. Gemeinsam Armut Bekämpfen

Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nach dem es einer nötig hatte.
Es hört sich an wie eine Kommune aus den 70ern, ein Kibbuz in Israel oder ein Kloster: Alle besitzen alles.
Für mich eine schreckliche Vorstellung: Ich bin froh, dass manche Sachen nur mir gehören. Und im Bibelkreis haben wir darüber diskutiert, was dann gemacht wird, wenn das Geld weg ist.
Aber eine richtige und wichtige Anfrage gibt es: Die Grundidee des Christentums ist, dass keiner Not leiden muss. Es soll keine Armen, keine Menschen die Hungerleiden mehr geben. Keiner soll betteln müssen, jeder soll genug zum Leben haben.
Ein Ideal von dem wir noch weit weg, fast genauso weit wie zur Zeit der ersten Christen.
Das Idealbild das Lukas uns malt stellt uns die Frage: Wie wichtig ist uns unser Besitz? Auf wie viel können wir verzichten?
Wären wir beispielsweise bereit eine Flüchtlingsfamilie in unser Haus aufzunehmen, wenn sie sonst auf der Straße stünde?

2. Gemeinsam den Glauben teilen
Die das Wort annahmen, ließen sich taufen. Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.
Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel

Die Urchristen teilten Ihren Glauben miteiander. Lukas idealisiert, aber aus seinen anderen Erzählungen und denen des Paulus wissen wir: Die ersten Gemeinden entstanden in Hausgemeinden, man öffnete sein Haus für andere und erzählte anderen vom Glauben.
Dahinter steckt eine wichtige Erkenntnis: Zum christlichen Glauben gehört Gemeinschaft. Es gehört dazu, gemeinsam über Jesus, Gott und die Bibel zu diskutieren. Es gehört dazu, sich von anderen kritische Fragen stellen zu lassen.
Es gehört auch dazu, Gemeinschaft im Gottesdienst zu erleben. Zu merken, ich bin nicht allein in meinem Glauben, gerade dann wenn mein Glaube angefochten ist.
Damals war es eher die Christenverfolgung, heute ist es eher wenn einer naher Mensch im Sterben liegt, man in Amerika wegen eines Rücklichts sterben kann oder der Terror ein Land trifft.
Es ist gut, gemeinsam über den Glauben nachzudenken.
Aber tun wir das genug? Teilen wir unsere Gedanken, unsere Bedenken? Kommen wir regelmäßig in eine Gemeinschaft, sei es im Gottesdienst, oder einen der Kreise?
Laden wir andere ein, mitzukommen, wenn Sie nicht kommen? Sind wir offen auch für die schrägen und schwierigen Mitchristen, für die unser Gottesdienst fremd ist?
Und können wir über alten Streit hinwegsehen oder darüber dass ein Prediger schwierig ist, weil uns die Verbindung im Glauben wichtiger ist?

3. Gemeinsam Feiern und Leben.
und sie brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk.

Die ersten Christen feierten nicht nur Abendmahl, sie hatten  auch ein Abendmahl – sie aßen gemeinsam zu Abend. So viel Freude und lauteres Herz war sicherlich nicht dabei, denn von Paulus wissen wir, dass einige sich den Bauch vollschlugen, während die anderen auf einem Kanten Brot kauten. Aber von dem Arm-Reich Problem abgesehen: Die Christen feierten und lebten gemeinsam. Christentum, das lässt sich nicht an der Kirchentür anziehen und wieder abgeben. Als Christ bin ich mit dem Anderen mein Leben lang verbunden. Nicht immer einer Meinung und ohne Konflikte, aber so verbunden, dass ich mit Ihm gemeinsam zu Tisch essen kann. Jesus sagt: Wenn du Streit mit deinem Bruder hast, geh nicht im Tempel zum Gottesdienst sondern kläre erst den Streit mit deinem Bruder.
Wer einen Streit mit seinem Bruder hat weiß: eine schwere Aufgabe.
Ein zweiter Aspekt ist mir aufgefallen: Das Verhalten der Christen führt zu Wohlwollen beim Volk. Das heißt: Das Volk merkt, dass es die Christen gibt.
Die Christen damals verstecken sich nicht, leben ihr Christentum nicht im Kämmerchen, sondern sind sichtbar.
Wo sind wir sichtbar als Christen und als Kirche? Verstecken wir uns und denken wir uns: Die Leute werden schon kommen?
Oder gehen wir mit unserer Botschaft zu den Menschen? Sind vielleicht einfach nur da als Christen?

Liebe Gemeinde,
Lukas zeichnet ein Idealbild. Damit stellt er uns kritische Fragen, bringt uns ins Nachdenken.
Wir sollten uns kein schlechtes Gewissen machen lassen. Aber wir sollten offen sein für die Fragen des Lukas:
Bekämpfen wir gemeinsam Armut?
Teilen wir unseren Glauben miteinander?
Feiern und Leben wir gemeinsam?

Amen.

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