Gottes Anwesenheit im Nachhinein entdecken – Predigt zum 2. Sonntag nach Epiphanias (2. Mose 33,17-23)

Hinweis: Die Predigt beruht auf den Anregungen der Predigtmeditationen im jüdischen Kontext, Beitrag von Rahel Schaller, herausgegeben von Studium in Israel e.V.
 
Liebe Gemeinde,
Weihnachten ist vorbei, die Krippe weggeräumt, irgendwie ist Gott nun nicht mehr so fassbar wie vorher. Mit der Krippe, ja, da dachte man an Jesus, an die kleinen Kinder, da war Gott irgendwie fassbarer. Aber nun?
Ähnlich ging es auch den Israeliten, als sie aus Ägypten ausgezogen waren. Mit Wundern hatte er sich bewiesen, Gott war spürbar. In einer Wolke und Feuerflamme war er mitgezogen, direkt bei Ihnen.
Doch nun, am Sinai, nach dem Tanz um das goldene Kalb und dem Empfangen der 10 Gebote, wurde das Allerheiligste im Zelt außerhalb des Lagers aufgebaut. Die Feuerflamme, die Wolke, sie hielt plötzlich Abstand. Gott geht auf Abstand.
Mose ist der einzige, der noch direkt mit Gott redet. Gott redet mit ihm, wie mit einem Freund. Er möcchte in Beziehung mit Gott bleiben und so ergibt sich folgendes Gespräch, aus dem Buch Exodus im 33. Kapitel.
Ich lese aus der Bibel in gerechter Sprache, in dieser Übersetzung wird der jüdischen Tradition folgend der Gottesname nicht verwendet, sondern durch andere Begriffe ersetzt. Einer ist das beginnende „Sie“:
Sie entgegnete dem Mose: »Ich werde auch diesen Wunsch, den du gerade ausgesprochen hast, erfüllen, weil ich dir wohl gesonnen bin und dich persönlich akzeptiert habe.« Mose wollte noch mehr, er sagte: »Lass mich jetzt bitte deinen göttlichen Glanz sehen!«
Gott antwortete: »Ich werde in meiner unermesslichen Schönheit dicht an dir vorbeigehen und meinen Namen Ich-bin-da vor dir ausrufen. Ich will allen wohl, denen ich Wohlwollen schenken will. Ich leide mit allen, die ich bemitleiden will.«
Und weiter: »Du darfst mein Gesicht trotzdem nicht anschauen, denn kein Mensch, der mir ins Gesicht sieht, würde am Leben bleiben.«
Er sagte noch: »Hier neben mir ist noch Platz, stelle dich zu mir auf den Felsen. Wenn dann gleich mein Glanz vorbeigeht, dann drücke ich dich in eine Felsnische und halte dir meine Hand vor die Augen, bis ich vorbei bin. Dann ziehe ich sie weg und du kannst mich von hinten sehen, aber mein Gesicht darfst du nicht anschauen.«
Amen
Eine sonderbare Geschichte. Irgendwie altertümlich, nicht in unsere Zeit und Vorstellung von Gott passend.
Sie wird vielschichtiger, wenn man bedenkt, dass im Hebräischen Mose darum bittet „Lass mich deinen Kavod sehen“. Kavod, das kann die Herrlichkeit oder den Glanz bedeuten, aber auch die Schwere oder das Gewicht.
Mose möchte also auch sehen, welches Gewicht Gott für die Welt hat, also: Wie wichtig er ist.
Und: In Kavod spiegelt sich sehr viel: Fröhliches wie Herrlichkeit und Trauriges wie Schwere. Der Begriff Kavod zeigt schon: Gott ist unfassbar.
Doch schauen wir, was Gott antwortet. Denn er ist nicht unnahbar:
Ich werde in meiner unermesslichen Schönheit dicht an dir vorbeigehen und meinen Namen Ich-bin-da vor dir ausrufen.
Ich bin da: Das ist der Name Gottes, Aber auch dieser Hebräische Begriff zeigt auch die Unfassbarkeit: Er kann auch heißen: Ich war da. Ich werde da sein. Und: Ich bin, der ich bin.
Aber: Gott ist da und bleibt da. Und er verspricht Mose: Ich gehe nahe an dir vorbei.
Aber trotzdem darf Mose ihm nicht ins Gesicht schauen. Vielleicht hat es damit zu tun, dass wir uns kein Bildnis machen sollen. Wem ich ins Gesicht schaue, von dem habe ich ein Bild. Aber Gott sagt: Mache dir kein Bildnis von mir! Lege mich nicht fest!
Ich will allen wohl, denen ich Wohlwollen schenken will. Ich leide mit allen, die ich bemitleiden will.
Aber wer es ist, wem ich Wohlwollen schenke, das bestimme ich. Gott lässt sich nicht festlegen.
Und das ist gut, denn so ist die Gnade Gottes allen offen.
Aber auch wenn Mose Gott nicht direkt ansehen kann, so eröffnet ihm Gott doch eine Möglichkeit: Mose kann sich in eine Felswand stellen, während Gott vorbei geht wird Gottes Hand seine Augen zudecken und Mose kann ihm hinterhersehen.
Auch wenn sich in meinem westeuropäischen-Logik-Verstand alles gegen dieses Bild von Gott wehrt, dass Gott ganz normal spaziert:
Ein wunderbares Bild! Gott lässt uns zusehen, er beschützt uns mit seiner Hand, damit uns nichts passiert, wir können ihm hinterhersehen.
Vielleicht ist das ein gutes Bild für unser Leben: Oft suchen wir Gott und sagen: Gott, lass uns deine Kavod sehen!
Lass uns deine Herrlichkeit, deinen Glanz sehen!
Deine Bedeutung für die Welt!
Und direkt sehen wir nichts. Es ist als wäre eine Hand vor unseren Augen.
Aber im Nachhinein, da entdecken wir manchmal Gott: In unserem Leben, im Leben von anderen.
Wir schauen Gott sozusagen hinterher. Wir schauen ihm nach, schauen was er für Spuren hinterlassen hat. Machen uns darin ein Bild von seiner Schwere, seiner Herrlichkeit.
Gott bleibt unfassbar, aber er war und ist dennoch da.
Amen.

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