Liebe Gemeinde!
Im Alten Testament finden sich Geschichten des Lebens. Manche mögen es nicht, weil es Ihnen zu grausam ist.
Unser heutiger Predigttext ist der Höhepunkt einer Geschichte des Lebens mit all den grausamkeiten des Lebens und des menschlichen Miteinanders, aber auch gleichzeitig ein Happy End.
Er zählt nicht zu den bekanntesten, aber für mich zu den schönsten Geschichten des Alten Testaments. Er ist das Ende der Josefsgeschichte.
Josef war der Sohn Jakobs, der Enkel Isaaks und Urenkel Abrahams. Er war der erklärte Liebling seines Vaters und seine zehn älteren Brüder blickten neidisch auf ihn.
Kein Wunder, denn Josef tat sein bestes sie zu verärgern. So erzählte er Ihnen von einem Traum in dem sich die ganze Familie vor Ihm, den Kleinen verbeugen sollten.
Irgenwann reicht es seinen großen Brüdern. Als Josef kommt um Verpflegung zu bringen, werfen sie ihn in den Brunnen und verkaufen ihn anschließend an Sklavenhänder. Ihrem Vater erzählen sie der Bruder wäre tot.
Josef wird nach Ägypten verkauft und auch dort von Gott begleitet. Mit dessen Hilfe und auf einigen Umwegen wird er Stellvertreter des Pharao.
Im Nahen Osten brach eine Hungersnot aus, aber durch Gottes Hilfe und dem Geschick des Josef gab es in Ägypten genug. Das brachte auch seine Familie nach Ägypten und so wurden sie wieder vereint. Das Band der Gemeinsamkeit war vor allem der Vater, Jakob. Doch der war gerade gestorben und hat ein Ehrenbegräbnis im Grab seines Großvaters, Abraham, unter Anwesenheit des Pharao erhalten.
Wie wird Josef nun reagieren? Wird er sich an seinen Brüdern rächen?
An dieser Stelle setzt unser Predigttext ein, er steht im Buch Genesis, im 50. Kapitel, ich lese ihn aus der Einheitsübersetzung:
Als Josefs Brüder sahen, dass ihr Vater tot war, sagten sie: Wenn sich Josef nur nicht feindselig gegen uns stellt und uns alles Böse vergilt, das wir ihm getan haben.
Deshalb ließen sie Josef wissen: Dein Vater hat uns, bevor er starb, aufgetragen: So sagt zu Josef: Vergib doch deinen Brüdern ihre Untat und Sünde, denn Schlimmes haben sie dir angetan. Nun also vergib doch die Untat der Knechte des Gottes deines Vaters!
Als man ihm diese Worte überbrachte, musste Josef weinen.
Seine Brüder gingen dann auch selbst hin, fielen vor ihm nieder und sagten: Hier sind wir als deine Sklaven.
Josef aber antwortete ihnen: Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes Stelle? Ihr habt Böses gegen mich im Sinne gehabt, Gott aber hatte dabei Gutes im Sinn, um zu erreichen, was heute geschieht: viel Volk am Leben zu erhalten.Nun also fürchtet euch nicht! Ich will für euch und eure Kinder sorgen.
So tröstete er sie und redete ihnen freundlich zu.
Liebe Gemeinde,
ich liebe diese Stelle. Sie könnte so ganz anders ausgehen. Würde Quentin Tarantino einen Film daraus machen, würde es ein Film voller Rache und Blut gemetzel.
In einer Schnulze würden sich alle umarmen und es wäre heile Welt.
Aber die Brüder sie kommen voller Angst. Die Bibel kennt die Rachegelüste der Menschen. Sie weiß, dass in Familien manchmal die Eltern die Familie zusammen halten und wenn die sterben, was dann? Dann gibt es oft Streit ums Erbe und manchmal rächt man sich übers Geld für all das schlimme, was einem vielleicht angetan wurde.
Wenn sich Josef nur nicht feindselig gegen uns stellt und uns alles Böse vergilt, das wir ihm getan haben.
Die Brüder, sie haben Angst und so lassen sie ihm einen letzten Apell des Vaters ausrichten:
Dein Vater hat uns, bevor er starb, aufgetragen: So sagt zu Josef: Vergib doch deinen Brüdern ihre Untat und Sünde, denn Schlimmes haben sie dir angetan.
Ob er es wirklich gesagt hat? Oder ob die Brüder sich das aus Angst nur erdacht haben? Wer weiß.
Die Worte haben auf jeden Fall ihre Wirkung: Josef muss als er sie hört weinen.
Ich glaube, dass er weinen muss, hat auch damit zu tun, dass durch die Worte die Schuld der Brüder anerkannt wird. Sie geben zu: Ja, wir haben dir Unrecht getan. Das was wir getan haben, war schlimm!
Es wird nicht einfach über das Unrecht rüber gewischt „Alles gut, passt scho!“, Nein das Unrecht wird klar zugegeben.
Das bewegt, wenn einer zu mir kommt und sagt: Ich habe dir falsches getan.
Und die Brüder, sie tun auch dies. Sie kommen, werfen sich auf den Boden als Zeichen der Macht von Josef und sagen: „Wir sind deine Knechte“
„Ha,ha, hab ichs euch doch gesagt, ihr kniet also doch nieder!“ Auch das wäre eine möglich Reaktion. Josef hat im Endeffekt recht, das könnte er Ihnen jetzt richtig gut unter die Nase reiben – aber er tut es nicht.
Warum nicht?
Warum nimmt er keine Rache, warum nimmt er sich nicht sein Recht?
Der Kern der Geschichte kommt nun:
Stehe ich denn an Gottes Stelle?
Josef weiß, dass es nur einen gibt, der wirklich bestrafen darf: Gott.
Denn nur Gott weiß, ob nicht aus Bösem etwas gutes Geschehen kann:
Stehe ich denn an Gottes Stelle? Ihr habt Böses gegen mich im Sinne gehabt, Gott aber hatte dabei Gutes im Sinn, um zu erreichen, was heute geschieht: viel Volk am Leben zu erhalten.
Ja, Gott hat in der Josefsgeschichte das Böse zum Guten gewendet. Wäre Josef nicht nach Ägypten verkauft worden, wäre er nie zweiter Mann im Staat geworden, hätte nie Getreidespeicher anlegen können, Zahlreiche Ägypter wären verhungert und hungrige Ausländer wie die Israeliten sowieso.
Gott hat immer wieder eingegriffen, hat Böses zum Guten gewendet. Erst im Rückblick sieht man: Alles ist gut geworden.
Ich mag diese Geschichte so sehr, denn ich finde Josef reagiert als ein Vorbild.
Er schafft es sich hintenan zu stellen und Gott in den Vordergrund zu stellen.
Er entscheidet nicht für seine Rachegelüste, sondern lässt Gott entscheiden.
Das ist schwierig finde ich: Oft wäre ich gerne Josef- würde wenn mir Unrecht oder gefühltes Unrecht geschieht, gleich zurückschlagen. Mich rächen. Oder wenigstens ein bisschen sticheln.
Und wer mich kennt weiß: Ich habe gerne recht. Und wenn jemand anderer Meinung ist und ich habe doch recht, dann kann ich meist meine Klappe nicht halten und muss nochmals betonen, dass doch ich recht hatte.
Hier tut es mir gut auf Josef zu schauen und Abstand zu gewinnen. Aber Josef muss den Abstand nicht mit übermenschlicher Kraft gewinnen, sondern er kann sagen: Ich stehe nicht an Gottes Stelle.
Und: Die Geschichte lehrt, dass man erst am Ende sehen kann, ob etwas Gutes oder Böses rauskommt. Selbst wenn eine Handlung bös gemeint war, kann sie doch Gutes bewirken.
Das finde ich spannend und entspannend: Spannend weil ich mich überraschen lasse, was wohl bei einer Geschichte rauskommt und entspannend, da es die Last von mir nimmt. Selbst meine Bösen Handlungen kann Gott zum Guten wenden.
Stehe ich denn an Gottes Stelle? Ihr habt Böses gegen mich im Sinne gehabt, Gott aber hatte dabei Gutes im Sinn, um zu erreichen, was heute geschieht: viel Volk am Leben zu erhalten.
Diese Sätze bewirken, dass die Brüder im Land bleiben. Das Volk Israel bleibt in Ägypten, es wächst und vermehrt sich für viele Generationen, bis ein Pharao Angst bekommt. Aber das ist eine andere Geschichte, bei der auch aus Bösem Gutes entstanden ist.
Amen.