Liebe Gemeinde,
vorletztes Wochenende auf der Konfirmandenfreizeit: Zwei Mädchenzimmer zicken sich gegenseitig an, wie es wahrscheinlich nur pubertierende 13-jährige können.
Und mit manchen Jungs stehen auch schwierige Gespräche an. Ganz normale Gruppendynamik, aber doch anders.
Denn ein Wochenende gemeinsam auf einer Burg, mit gemeinsamen Abendessen, Frühstück und Mittagessen, gemeinsamen Gruppenarbeiten, und zum Schluss: Gemeinsames Abendmahl.
Schwierig:Wenn man sich ärgert übereinander, wenn man jemanden egal aus welchem Grund nicht mag, dann mag man nicht gemeinsam essen. Dann kriegen die einen Magenschmerzen, den anderen vergeht der Appetit und die dritten sind schlecht gelaunt und stochern im Essen.
Ganz normal eben. Zu Hause oder auf der Arbeit kann man sich leichter aus dem Weg gehen, aber als Gruppe?
Eine ähnliche Situation berichtet uns Markus vom letzten Abendmahl. Er beschreibt die vielen Emotionen in nüchternen Worten wie folgt:
Und am Abend kam er mit den Zwölfen.
Und als sie bei Tisch waren und aßen, sprach Jesus: Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten.
Da wurden sie traurig und sagten zu ihm, einer nach dem andern: Bin ich’s?
Er aber sprach zu ihnen: Einer von den Zwölfen, der mit mir seinen Bissen in die Schüssel taucht.
Der Menschensohn geht zwar hin, wie von ihm geschrieben steht; weh aber dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird! Es wäre für diesen Menschen besser, wenn er nie geboren wäre.
Und als sie aßen, nahm er das Brot, dankte und brach’s und gab’s ihnen und sprach: Nehmet; das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den; und sie tranken alle daraus. Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird. Wahrlich, ich sage euch, dass ich nicht mehr trinken werde vom Gewächs des Weinstocks bis an den Tag, an dem ich aufs Neue davon trinke im Reich Gottes.
Und als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.
„Einer unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten.“ Entsetzen, Erschrecken, der Appetit vergeht, die Magenschmerzen fangen an – da ist ein Verräter unter uns!
Und jeder fühlt sich anscheinend irgendwie angesprochen: „Bin ich‘s?“ so fragen sie. Die weitere Geschichte erzählt davon, dass sie alle keine Helden sind: Judas wird ihn verraten, Petrus wird ihn verleugnen und alle anderen werden verängstigt fliehen.
„Einer unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten.“ Diese Worte brechen hinein in ein wichtiges Essen: Es ist der Vorabend des Passahfestes, ein besonders hohes Fest. Das Passalamm wurde schon besorgt und wird geschlachtet in Erinnerung an das Blut des Lammes, das die Kinder der Israeliten früher in Ägypten vor dem Tod schützte.
Alles ist festlich geschmückt und dann diese Worte: „Einer unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten.“ Und dann noch dieses sonderbare Dankgebet.
Könnte ich da noch Essen? Ich würde wahrscheinlich den Raum verlassen.
Kann Judas da noch Essen?
Auf den meisten Bildern zum Abendmahl die diese Szene beschreiben, verlässt Judas den Raum. Er geht und das Abendessen geht ohne ihn weiter.
Aber: Im Markusevangelium geht Judas nicht. „Einer unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten. Einer von den Zwölfen, der mit mir seinen Bissen in die Schüssel taucht.“
Das Essen scheint noch in Gange zu sein und es bleibt in Gange. Mit keinem Wort berichtet Markus davon, wie Judas geht, er scheint bei einem der Aufbrüche davon geschlichen zu sein und taucht später einfach wieder auf.
Auch Petrus und die anderen Jünger bleiben.
Es scheint so, als würde Jesus mit allen weiter essen. Als würde er die Tischgemeinschaft trotz der Ankündigung des Verräters unter ihnen weiter pflegen.
Und das passt zu einem Text, den Markus gleich am Anfang seines Evangeliums erzählt und den wir auch auf der Konfirmandenfreizeit gelesen haben: Das isst Jesus mit Levi dem Zöllner. Dem ausgestoßenen und Verachteten, dem der Fehler macht. Er pflegt die Tischgemeinschaft und für mich ist das ein Zeichen des Reiches Gottes: Gottes Reich beginnt da, wo wir mit den Verrätern, den Verleugnern, den Feiglingen, denen die rumzicken und denen mit denen wir uns streiten Essen. Wir machen alle Fehler und wir kommen mit unseren Fehlern zum Abendmahl, mit unserer Menschlichkeit. Jesus isst mit uns und er ist mit uns.
Ich glaube das Abendmahl hat dadurch einen ganz besonderen Reiz. So sassen wir am Sonntag vormittag im Gottesdienst zusammen an einer langen Tafel. Nach einem gefühlt langen und teilweise konfliktreichen Wochenende.
Wir haben an der Tafel Abendmahl gefeiert, an der wir am Abend zuvor Mahl gehalten haben, Abendessen.
Wir haben das Brot und den Kelch einander weitergereicht. Betreuer an Konfis, die Mädchen von dem einen Zimmer an die Mädchen von dem anderen, 22 ganz unterschiedliche Personen mit ihren Stärken und Schwächen, mit ihren Fehlern. Wir wussten: Bei Gott sind wir so willkommen wie wir sind. Trotz unserer Fehler.
Und es war Frieden eingekehrt. Frieden auf Erden, für kurze Zeit, Gottes Reich ganz spürbar.
Amen.